Zitat:
Und wenn wir nicht mal genau sagen können, was wahr ist, wie sollen wir dann wissen, was gelogen ist?
Hm, na, *einfach* gesehen ist gelogen, wenn man nicht mal selbst an das glaubt, was man behauptet. Und doch gestaltet sich die Sache in der Praxis komplizierter. An deinem Beispiel: Wenn du es so formulierst, wie du es geschrieben hast, ist das strenggenmommen weder eine Lüge noch eine Wahrheit...
Zitat:
"Deine Haare fallen heute aber hübsch!"
Würdest du sagen: "Ich finde, deine Haare fallen hübsch heute.", dann wäre das eine Lüge - weil du findest nicht, dass die Haare hübsch fallen, und du weißt, ob sie dir gefallen oder nicht. Natürlich impliziert der andere Satz genau das, aber wenn man spitzfindig wird, dann könntest du argumentieren, es sei keine Lüge, sondern eine Wahrheit, die zu erkennen du nur nicht in der Lage bist.
Wenn ich lügen muss, was ich ungern tue, dann mache ich das am liebsten, indem ich spitzfindig werde und die Leute in dem Glauben lasse, ich hätte das gemeint, was allgemein mit so einem Satz impliziert wird. Oft kann man auch sagen, dass eine Sache im tieferen Sinn wahr sei, auch wenn sie es im oberflächlichen Sinn nicht ist. Und der tiefere Sinn ist da natürlich der wichtigere... Hm, nehmen wir mal das Beispiel, jemand heiratet einen Ausländer, um ihn vor einer Abschiebung zu bewahren, die ihn in eine unangenehme persönliche Situation bringen würde wie z.B., im Heimatland mit Folter rechnen zu müssen. Auf die Frage, ob es sich um eine Liebesheirat handele, kann man guten Gewissens mit Ja antworten und sich im Kopf ergänzen: "Nächstenliebe!"
Lüge und Wahrheit sind oftmals näher beeinander, als man denkt, und ein absolutes moralisches Kriterium ist Wahrheit auch nicht. Ich finde auch, dass es mehr auf die Intention ankommt. Zwar macht eine gute (im ethischen Sinne) Intention eine Lüge nicht zur Wahrheit, aber wer sagt denn, dass Wahrheit ein ethischer Wert für sich ist oder der höchste? Ich finde, es gibt höhere ethische Werte als die Wahrheit. Wahrheit kann manchmal auch schaden - z.B., wenn man einem Killer wahrheitsgemäß Auskunft gibt, wo sich sein Opfer aufhält. Besser, man belügt den Kerl.
Aber eine Situation, wie du sie beschreibst, verwirrt mich meist und macht mich eventuell sogar misstrauisch. Wenn mir jemand sagt, meine Haare würden heute aber schön fallen, und ich weiß, sie hängen traurig herab wie die Blätter tagelang nicht gegossener Zimmerpflanzen (interessanterweise tun sie das wirklich, wenn ich mies drauf bin), dann frage ich mich verwirrt: Was will die Person? Bei Männern isses klar, da ist der erste Verdacht: Sie machen einem Komplimente, damit man sie toll finden soll. Womöglich möchten sie auch, dass man das Kompliment erwidert, aber da bin ich hart und tue das nicht, auch wenn das Schweigen noch so mit Erwartungen gefüllt zu sein scheint. Ich fühle mich dann aber ziemlich grässlich dabei, halt gemein. Aber ich will mich trotzdem nicht manipulieren lassen. Und ich mache nunmal nicht gern Komplimente - höchstens dann, wenn ich es wirklich ehrlich meine und finde, das muss mal gesagt werden.