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(Autistenbereich)

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Zusammenhänge kann sie wohl erkennen, es ist nur so, dass sie andere erkennt.
Wenn ich mit einem Tontechniker, einem Kameramann, einem Schauspieler und einem Dramaturgen is Kino gehe und sie nachher bitte, die Handlung zu schildern, sagt der Tontechniker:
"Irgendwas mit Liebe, aber das Mikro hing dauernd ins Bild und diese schnulzige Musik, das war ein furchtbarer Film!"
Der Kameramann sagt: "Ja, die Handlung war in Ordnung, aber - meine Güte - immer diese Kranfahrten, jemand muss denen einen Kran gesponsert haben. Ich hab garnicht verstanden, worum es ging vor lauter Kran und die Nacht war viel zu blau geleuchtet. Das Licht war unrealistisch, wenn ich schon Kino Flow nehme, dann benutze ich sie auch richtig!"
Der Schauspieler sagt: "Also, das war eine klassische Liebeskommödie, kennt man ja alles. Der Cast war ganz O.K., gespielt haben sie auch passabel, nicht immer, aber der Regisseur kommt auch grad von der Filmhochschule, was will man erwarten."
Der Dramaturg sagt: "Klassisches Hollywood, Plotpoint 1 in Minute 27, *gähn*, was mir gefallen hat, war die Liebe, mit der die Nebenfiguren gezeichnet waren, das hatte schon was besonderes, aber da war der Produzent definitiv stärker als der Autor. So viel Potential dieser Figuren für den falschen Film verschenkt, ein Jammer."
Der Zuschauer aber sagt "Ich habe mich prima unterhalten!" Und dann fängt er an, die Handlung nachzuerzählen. Wenn man zehn Leute fragt, kriegt man zehn verschiedene Handlungen präsentiert. Jeder Mensch erkennt Zusammenhänge, jeder Mensch konstruiert sogar welche, wenn gar keine da sind (Kuleschoff- Effekt), aber das ist individuell sehr verschieden.
Man muss Deine Tochter ermutigen, ihren eigenen Standpunkt und ihre Wahrnehmung in Worte zu fassen. Vielleicht beschreibt sie dann neunzig Minuten lang Filmmusik und was man dazu sah, ohne die Handlung erwähnenswert zu finden, das würde ein Filmkomponist genauso tun.
LGE
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