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Geschrieben von: 55555 am: 08.12.14, 18:22:10
Zitat:
Psychische Krankheit – ist sie im Mainstream angekommen? Es gibt eine wissenschaftliche Disziplin, die sich dieser Frage angenommen hat: die psychiatrische Stigmaforschung. Und sie ist, zumindest in Deutschland, in den vergangenen Monaten in verschiedenen Studien zu einem verblüffenden Ergebnis gekommen: Zwar glauben die Deutschen, dass die Gesellschaft psychische Störungen weniger stigmatisiere als früher. Sie nehmen heute eher als noch vor einem Vierteljahrhundert an, dass „die meisten Menschen“ – in dieser Formulierung wurde es Befragten vorgelegt – ehemalige Psychiatrie-Patienten genauso behandeln wie jeden anderen, dass man psychisch Kranke als Betreuer kleiner Kinder duldet und sie in den engen Freundeskreis aufnimmt. Der Einzelne aber, nach seinen eigenen Gefühlen befragt, will mehr Distanz zu psychisch Kranken als noch 1990, er will sie nicht als Nachbarn und nicht als Kollegen, er will sie niemandem als Mitarbeiter empfehlen und sie nicht zum Freundeskreis zählen.

Diese ablehnenden Gefühle sind zwischen 1990 und 2011 deutlich stärker geworden, zeigt ein ganzes Bündel von Studien, das eine Gruppe deutscher Stigmaforscher um den emeritierten Leipziger Sozialpsychiater Matthias Angermeyer und Georg Schomerus von der Universität Greifswald in den Jahren 2013 und 2014 vorgelegt hat, unter anderem in der Fachzeitschrift „European Psychiatry“ (doi: 10.1016/j.eurpsy.2013.10.004) und im „British Journal of Psychiatry“ (doi: 10.1192/bjp.bp.112.122978). Insbesondere Schizophrenie-Patienten werden kritischer gesehen; etwas schwächer gewachsen ist das Stigma, das Depressive und Menschen mit Alkoholsucht trifft.

Die Psychiatrie selbst profitiert den Daten zufolge bei alldem, das Stigma, das auf ihr lag, hat abgenommen: Die Menschen erhoffen sich von ihr Schutz. „Wir werden risikoaversiver“, erklärt Studienautor Georg Schomerus, der Leiter des Bereichs Sozialpsychiatrie der Universität Greifswald. Man sehe dies auch in anderen Alltagsbereichen: „Kinder tragen Fahrradhelme, werden in die Schule gebracht. Man will nun auch, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen möglichst schnell behandelt werden.“

Quelle


Geschrieben von: Alan am: 09.12.14, 11:02:09
Mein früherer Chef, der mich zu diesem Zeitpunkt seit über sechs Jahren durch erfolgreiche Zusammenarbeit kannte, nachdem eine Beraterin eines "Gesundheitsvorsorgeunternehmens" ihm in meiner Abwesenheit zu verstehen gegeben hatte, dass ich psychisch krank bin: "Ich hab keine Ausbildung dafür mit Leuten wie dir umzugehen!"


Geschrieben von: Tarantula am: 09.12.14, 14:17:24
Oh, sowas kenne ich auch... Die Reha-Beraterin der RV:"Wenn Sie wirklich das Asperger-Syndrom haben, brauchen Sie einen Arbeitgeber, der mit solchen Leuten umgehen kann." Dabei beruhen meine Probleme nicht auf Asperger, sondern auf den Symptomen, die man entwickelt, wenn man sich unverstanden und ausgegrenzt fühlt... Eigentlich passt das hier deshalb gar nicht so recht herein, Asperger ist ja keine psychische Erkrankung...


Geschrieben von: MadActress am: 09.12.14, 14:26:30
Nein. Aber die Folge-Erkrankungen, die durch Ausgrenzung entstehen, sind sehr wohl psychosomatisch - und auch mich belasten sie, während ich Autismus eher indifferent sehe, gehört halt zu mir.


Geschrieben von: Tarantula am: 09.12.14, 14:46:58
Und ein solcher Spruch, nachdem man mich 6 Wochen lang getestet und begafft hat, zu dem Schluss kam, dass ich in allen Bereichen gute bis sehr gute Arbeit leiste, hoch motiviert war, als ausgeglichen wahrgenommen wurde... Klar, man fühlt sich gleich besser, wenn man glaubt, dass es jetzt los geht...
Dann wird man mit solchen Sprüchen wieder plattgewalzt, obwohl man nach der Testung das Gegenteil tun sollte und müsste...


Geschrieben von: Alan am: 09.12.14, 15:39:45
@Tarantula
Bzgl. deiner Aussage Asperger vs. psychische Erkrankung:
Ich bezweifle, dass die NA da so genau differenzieren. Sobald die Feststellung "nicht normal" getroffen ist, wird der Betroffene in eine Schublade gesteckt, in der er zeitlebens bleibt.


Geschrieben von: Tarantula am: 09.12.14, 17:02:45
Zitat von Alan:
Sobald die Feststellung "nicht normal" getroffen ist, wird der Betroffene in eine Schublade gesteckt, in der er zeitlebens bleibt.


Dabei kann man durchaus auch die Meinung vertreten, dass es nicht normal ist, sich bei seiner Arbeit aufs Mittelmaß zu beschränken... Man stelle sich das mal vor... Sehr gute Leistungen werden ausgezeichnet, um sie dann im praktischen Alltag auf ein Mittelmaß herunterzureduzieren und das dann Therapie zu nennen, damit man nicht aneckt... tja


Geschrieben von: MadActress am: 09.12.14, 23:14:33
Genau das. Die meisten Leute mögen es nicht, wenn man besser ist als sie.