Worte: "Verweigerung" ist entmündigend, "verwirrt" nur normal wertend
01.11.08, 00:34:18
Hans
Wenn mir als Kind etwas nicht gelang und ich sagte:
"Ich kann nicht"
Antwortete mein Vater:
"Dann stellst Du die Kanne hin und nimmst den Topf!"
Da mit konnte ich nichts anfangen, war verzweifelt,
wußte nicht wie und so wurde mir eine "Veweigerungshaltung" unterstellt.
04.11.08, 13:24:56
stimmgabel
55555, soviel ich mitbekommen habe, verwendest du "verwirrt" für andere und findest das nur normal wertend. und wunderst dich, warum andere das nicht hören wollen.
"verweigerung" ist entmündigend, da stimme ich dir zu. "verweigerung" beinhaltet die erwartung des beurteilenden, die nicht erfüllt wird. unter NAs gibt es diese schrecklichen begriffe "brav" und "schlimm" für kinder. brave kinder tun, was ihre eltern (oder wer auch immer) erwarten, schlimme tun etwas von den eltern unerwünschtes. "verweigern" ist das pathologisierende "schlimm" der NAs.
"verwirrt" ist eine beschreibung des zustandes einer person. wenn eine person (A) sagt, dass sie selbst verwirrt ist, wird es wohl kaum probleme mit dem begriff geben. wenn eine person (B) über eine andere person (A) sagt, dass sie verwirrt ist, ist das etwas anderes. zum einen kann B nicht genau wissen, ob A tatsächlich verwirrt ist. es kann also sein, dass B sich täuscht, und A sich durch diese aussage belästigt fühlt (weil erklärungsbedarf entsteht - "ich bin aber nicht verwirrt!"). selbst wenn B recht hat und A tatsächlich verwirrt ist, kann es doch sein, dass A das nicht hören will.
ich kenne von mir folgendes: manchmal bin ich grantig. wenn dann jemand zu mir sagt "du bist aber grantig", werd ich noch grantiger. ich will nicht hören, dass ich grantig bin. wenn ich selber sage "vorsicht, ich bin grantig", finde ich das ok.
vielleicht trifft das auf noch mehr negative zustände zu? (z.b. fett, hässlich, überdreht, erschöpft, ... ... ...)
04.11.08, 14:18:13
tabby
Du bist sympathisch Stimmgabel ;)
wenn mir das einer sagt, wie verwirrt, dann kann ich es nicht mehr sachlich betrachten, weil jemand ein Urteil ueber mich fællt, ohne mich zu kennen. Dann flippe ich aus und werde sehr agressiv,.
Meistens diskutieren 55555 und ich noch darueber und ich erklære ihm, wie ich funktioniere und dann sagt er, das das nicht stimmt, fuer ihn wære ich in dem Moment -verwirrt- oder -wechselhaft-. Und da kønnte ich ausflippen. Mein Fehler, aber diese Besonnenheit fehlt mir, darueber wegzusehen
habe gelesen, das viele Autis dazu neigen, das kein Unsinn ueber einen verbreitet wird und das richtig gestellt haben wollen und es scheinbar so stændig zum Eklat kommt.
liegt auch daran, das viele mein Gehirn, meine Gedankengænge nicht verstehen und es einfach mit -verwirrt- -bekloppt- -schizophren- etc abstempelten
alles was ich mir selber sage ist ok, weil ich es dann so empfinde
04.11.08, 16:17:07
55555
Bei der Einschätzung des Begriffs "Verweigerung" scheinen wir ja weitgehend übereinzustimmen.
zum einen kann B nicht genau wissen, ob A tatsächlich verwirrt ist.
Du hast ja schon richtig festgestellt, daß Verwirrung auch Selbstbeschreibung sein kann, die sicherlich keinen beleidigenden Charakter besitzt. Verwirrt sein ist menschlich, anrüchig vielleicht für Mitmenschen, die dem verbreiteten Wahn anhängen nur "gut" zu sein, indem man perfekt ist und ohne Schwäche, zumindest nach außen.
Es kann also sein, daß diese Person verwirrt ist. Das worauf du hinweist ist ein allgemeines Problem, das mit diesem Begriff nicht direkt zu tun hat. Dem Problem nämlich, daß wir uns immer auch irren können. Aber reagieren wir darauf normalerweise, indem wir gar keine Aussagen mehr machen? Das wäre mir neu.
Zitat:
selbst wenn B recht hat und A tatsächlich verwirrt ist, kann es doch sein, dass A das nicht hören will.
Richtig, daher schrieb ich, daß diese Wort nur normal wertend sei. Bei allem kann es sein, daß es jemand nicht hören will, auch bei Lob passiert das hier im Forum.
Zitat:
vielleicht trifft das auf noch mehr negative zustände zu? (z.b. fett, hässlich, überdreht, erschöpft, ... ... ...)
Das sind für dich objektiv "negative" Zustände? (Schon wieder dieser seltsame Luftbegriff, irgendwo muß ein Nest sein.)
Meistens diskutieren 55555 und ich noch darueber und ich erklære ihm, wie ich funktioniere und dann sagt er, das das nicht stimmt, fuer ihn wære ich in dem Moment -verwirrt- oder -wechselhaft-.
Das wirkt so als würde ich ständig deine Selbsteinschätzung anzweifeln. Manchmal tue ich das, aber keineswegs so automatisch wie du hier nahelegst. Du bezweifelst übrigens mindestens genauso oft meine Version des jeweiligen Geschehens.
04.11.08, 18:36:21
tabby
Das wirkt so als würde ich ständig deine Selbsteinschätzung anzweifeln. Manchmal tue ich das, aber keineswegs so automatisch wie du hier nahelegst. Du bezweifelst übrigens mindestens genauso oft meine Version des jeweiligen Geschehens.
ja, ich werde dann etwas unhøflich und dichte Dir wohl auch paar Dinge an, wie sie auf mich wirken
04.11.08, 22:11:00
stimmgabel
Du hast ja schon richtig festgestellt, daß Verwirrung auch Selbstbeschreibung sein kann, die sicherlich keinen beleidigenden Charakter besitzt. Verwirrt sein ist menschlich, anrüchig vielleicht für Mitmenschen, die dem verbreiteten Wahn anhängen nur "gut" zu sein, indem man perfekt ist und ohne Schwäche, zumindest nach außen.
Es kann also sein, daß diese Person verwirrt ist. Das worauf du hinweist ist ein allgemeines Problem, das mit diesem Begriff nicht direkt zu tun hat. Dem Problem nämlich, daß wir uns immer auch irren können. Aber reagieren wir darauf normalerweise, indem wir gar keine Aussagen mehr machen? Das wäre mir neu.
das hab ich ja so nicht gemeint. ich wollte die beiden fälle unterscheiden, wo A einmal dem B verwirrtheit andichtet, und B sich rechtfertigen muss, und das andere mal A recht hat, und B erst recht damit vor den kopf stößt.
Zitat:
Richtig, daher schrieb ich, daß diese Wort nur normal wertend sei. Bei allem kann es sein, daß es jemand nicht hören will, auch bei Lob passiert das hier im Forum.
nicht nur hier im forum. es ist ein allgemeines problem, dass (viele) leute sich nicht gern bewerten lassen. schon dein begriff "normal wertend" legt für mich nahe, dass du darin nicht so ein problem siehst wie z.b. frozen. oder ich, ich lass mich auch nicht gern bewerten. sogar frozens "du bist sympathisch" ist mir irgendwie unbehaglich, woher will sie denn das wissen, aber ich hab hier kein problem damit, sondern lese das heraus, was sie wahrscheinlich gemeint hat, nämlich, dass ich IHR sympathisch bin, und freu mich darüber.
so eine du-botschaft ("du bist verwirrt") kann, besonders wenn der empfänger ein problem hat, ganz schlecht ankommen. sogar wenn du es nicht "normal wertend" sondern lediglich "normal beschreibend", also ganz neutral meinst, würde ich das nicht zu schätzen wissen.
wenn ich grantig bin, ist mir nicht damit geholfen, wenn mein mann feststellt, dass ich grantig bin. das weiß ich selber. hilfreich wäre z.b. wenn er mir eine gelegenheit gibt, ein bisschen über den grund meines grants zu jammern, indem er z.b. sagt, dass er den eindruck hat, mir gehts irgendwie nicht gut. männern fällt so etwas erfahrungsgemäß viel schwerer als frauen. die wollen immer probleme lösen, und frauen wollen einfach nur jemanden, der zuhört.
Zitat:
Das sind für dich objektiv "negative" Zustände? (Schon wieder dieser seltsame Luftbegriff, irgendwo muß ein Nest sein.)
gute frage... wahrscheinlich meine ich jene zustände, in denen A eigentlich lieber nicht sein würde. sollte also heißen "ungewünschte" zustände.
ein bisschen habe ich in dieser diskussion den eindruck, die unterschiede zwischen frauen und männern sind stärker als die zwischen autisten und NAs ;)
04.11.08, 22:15:18
Hans
Den Eindruck habe ich auch ausserhalb dieser Diskussion.
04.11.08, 22:17:42
stimmgabel
wenn mir das einer sagt, wie verwirrt, dann kann ich es nicht mehr sachlich betrachten, weil jemand ein Urteil ueber mich fællt, ohne mich zu kennen. Dann flippe ich aus und werde sehr agressiv,.
Meistens diskutieren 55555 und ich noch darueber und ich erklære ihm, wie ich funktioniere und dann sagt er, das das nicht stimmt, fuer ihn wære ich in dem Moment -verwirrt- oder -wechselhaft-. Und da kønnte ich ausflippen. Mein Fehler, aber diese Besonnenheit fehlt mir, darueber wegzusehen
ich flippe zwar nicht aus, kann aber ganz schön grantig werden, wenn jemand glaubt mich besser zu kennen als ich selber. oder auch nur, wenn es für mich so aussieht, als würde er das glauben.
Zitat:
liegt auch daran, das viele mein Gehirn, meine Gedankengænge nicht verstehen und es einfach mit -verwirrt- -bekloppt- -schizophren- etc abstempelten
glaubst du, dass autisten einander besser verstehen können als NAs autisten verstehen? ich hatte bisher schon den eindruck (sonst wäre ich nicht hier.)
04.11.08, 23:42:40
tabby
glaubst du, dass autisten einander besser verstehen können als NAs autisten verstehen? ich hatte bisher schon den eindruck (sonst wäre ich nicht hier.)
Teils/Teils.
Manche NAs kønnen auch sehr verstændnisvoll sein, wenn sie sich dafuer interessieren
05.11.08, 01:26:46
Hans
@Stimmgabel
Mag sein, daß es für Autisten schwieriger ist sich zu verstehen,
aber wenn, dann verstehen sie sich genauer.
05.11.08, 10:59:01
55555
geändert von: 55555 - 05.11.08, 11:19:48
Autisten haben Empathie für andere Autisten. NA in einem ähnlichen Maß gegenüber Autisten wie andersrum.
so eine du-botschaft ("du bist verwirrt") kann, besonders wenn der empfänger ein problem hat, ganz schlecht ankommen. sogar wenn du es nicht "normal wertend" sondern lediglich "normal beschreibend", also ganz neutral meinst, würde ich das nicht zu schätzen wissen.
Mir ist nicht ganz klar, ob wir uns nun einig sind oder nicht. "Normal wertend" schließt für mich die üblichen Probleme von Wertungen ein. Der Begriff "Verweigerung" geht jedoch für mich darüber hinaus.
06.11.08, 14:16:24
stimmgabel
Mir ist nicht ganz klar, ob wir uns nun einig sind oder nicht. "Normal wertend" schließt für mich die üblichen Probleme von Wertungen ein. Der Begriff "Verweigerung" geht jedoch für mich darüber hinaus.
ok, ich dachte zuerst, dass du "normal wertend" ganz unproblematisch siehst, das war offenbar ein irrtum.
wenn du wissen willst, ob ich den begriff "verweigerung" schlimmer finde als "verwirrt" (wenn er jeweils auf andere personen bezogen wird), dann stimme ich dir zu.
die problematik bei "verwirrt" spielt sich zwischen zwei leuten ab, ein ganz normales, verbreitetes kommunikationsproblem.
die problematik von "verweigerung" greift viel weiter: erstens, wie du schon sagst, schließt es die (wie auch immer berechtigte) erwartung anderer mit ein (ist also entmündigend), und zweitens, was ich noch schlimmer finde, wird es als krankhaft bezeichnet, wenn dieser erwartung nicht entsprochen wird, und zwar nicht von einer einzelperson, sondern gleich von einer reihe von "experten".
so sehe ich das, unbetroffen, mit einigem abstand. ich kann mir aber vorstellen, dass in der jeweiligen situation die begriffe von verschiedenen leuten verschieden schlimm empfunden werden.